Kurzgeschichte: "Felix und die Schon-Wieder-Worte"

»Ich mag das nicht«, hatte Mama gesagt. »Immer diese Wieder-Worte«.

Felix läuft die letzten Meter zur Schule. Er läuft langsam. Gut, dass Mama ihn nicht sieht. Sie mag es nicht, wenn er trödelt. Aber sie hat ihn am Rathaus-Platz aussteigen lassen und ist schnell mit einem Aus-dem-Auto-Flugkuss für Felix losgefahren. Also kann sie ihn nicht sehen. Heute hat sie wieder Hohm-Offiss. Felix weiß, was das ist. Er hatte lange Hohm-Skuuling. Das ist, wenn man zuhause lernen muss. Hohm-Offiss ist, wenn Mama zuhause arbeiten muss.

Aber was Wieder-Worte sind, weiß er nicht. Er fühlt sich klein und dumm, wenn er nicht versteht, was Erwachsene sagen. Deshalb geht er die letzten Meter zur Schule langsamer als sonst. Weil er nachdenken muss. Dabei kickt er einen kleinen Kieselstein vor sich her. Der klickert so schön, wenn er rollt. Das hilft beim Denken. »Immer diese Wieder-Worte«, wiederholt er Mamas Satz. Was sind Wieder-Worte?

Ist das vielleicht so ähnlich wie ‚schon wieder‘? Das kennt er.

»Du hast schon wieder …«, dein Schulbrot nicht gegessen. Vergessen, den Ranzen aufzuräumen. Vergessen, die Hausaufgaben zu machen. Überall Chaos hinterlassen, beim Spielen. Das hat er alles schon gemacht. Und manchmal auch schon wieder. Aber heute nicht. Er wollte einfach nur die neuen Schuhe nicht anziehen. Mama hat gesagt »zieh‘ deine Schuhe an, Felix!«. Und Felix hat »nein« gesagt. »Ich will die doofen Schuhe nicht anziehen.« Das war nicht nett. Eigentlich weiß er das. Aber Joschi hatte gestern über die weißen Schuhe gelacht: »Das sind doch Baby-Schuhe«. Felix will kein Baby sein. Er will doch einfach nur cool sein und auch einen Freund haben.

Deshalb wollte Felix die neuen Schuhe heute morgen nicht anziehen. Aber das weiß Mama nicht. Er hatte sich nicht getraut, davon zu erzählen. Heute morgen fiel es ihm wieder ein. Und dann war auch dieses doofe Gefühl im Bauch wieder da. Wie der Strudel von einer Badewanne, nur im Bauch. In dem Moment, als er an Joschi dachte und sein Lachen, war alles wieder da. Deshalb war er traurig. Und durcheinander. Und sauer. »Ich will die doofen Schuhe nicht anziehen.« Das hatte er noch nie gesagt. Deshalb versteht er nicht, warum das ein Schon-Wieder-Wort sein soll. Kann etwas ein Schon-Wieder-Wort sein, wenn man es noch nie gesagt hat? Erwachsene reden manchmal seltsam. Noch einmal kickt Felix gegen den Kieselstein.

Da kommt ihm eine Idee: Vielleicht ist Oma da, wenn er später nach Hause kommt. Die kann er fragen. Oma kann super erklären. Sie ist überhaupt die beste Erklärerin, die Felix kennt. Mama kann super singen. Opa kann tolle Sachen bauen, wie Felix' rotes Spielhaus. Aber Oma kann vor allem Sachen erklären. Sie erklärt immer so, dass er es versteht. Er will Oma nach den Schon-Wieder-Worten fragen. Er freut sich schon darauf, wie er sich direkt nach der Schule zu Oma auf das Sofa kuschelt. Die weichen Sofakissen wie ein Burg um sich aufbauen. Vielleicht macht Oma ihm ihren besonderen Kakao, der immer nach echter Schokolade riecht. Und dann wird er sich das mit den Wieder-Worten erklären lassen. Das ist eine gute Idee, findet Felix.

Jetzt kann er endlich an etwas Anderes denken. Und in der Schule muss man ja an andere Sachen denken, als an Schon-Wieder-Worte und Badewannen-Strudel im Bauch. Auch das hat Oma ihm erklärt. »In der Schule brauchst du deine Gedanken für Buchstaben, Zahlen und solche Sachen. Du willst ja was lernen. Das geht viel besser, wenn im Kopf genug Platz frei ist.«

Noch einmal kickt er gegen den Kiesel. Es macht ‚pling‘, als der Kiesel an das Schultor stößt. Und es quietscht, als Felix das Tor aufmacht. Drinnen wartet Joschi auf ihn. Heute lacht er ihn nicht aus, obwohl Felix die weißen Schuhe anziehen musste. Stattdessen kickt er zusammen mit Felix den Stein hin und her. Da ist Felix froh. Sogar sein Herz klopft irgendwie fröhlicher. Das ist so viel besser, als das doofe Gefühl im Bauch.

Und die ‚Schon-Wieder-Worte‘? An die muss er jetzt im Moment gar nicht mehr denken.

Kommentare

Beliebte Posts